Zum Projekt

Die Aufgabe des Projekts besteht darin, die Siegel der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg mit Hilfe einer elektronischen Datenbank zu erschließen und auf diese Weise der geisteswissenschaftlichen Forschung zur Verfügung zu stellen. Die Erschließung der Welfensiegel ist aus landesgeschichtlicher Sicht von großer Bedeutung, zumal es im Vergleich zu anderen Bundesländern gerade in Niedersachsen an modernen Siegelwerken fehlt.

Nachdem 1968 ein Niedersächsisches Siegelwerk in die Arbeitsvorhaben der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen aufgenommen worden war, begann Dr. Dieter Matthes (Wolfenbüttel) im darauffolgenden Jahr mit den Arbeiten an einem Siegelwerk der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg. Er konnte dafür auf eine umfangreiche Siegelabgusssammlung zurückgreifen, die Carl von Schmidt-Phiseldeck anlässlich einer heraldisch-sphragistischen Ausstellung in Berlin 1882 für das herzoglich-braunschweigische Staatsministerium angelegt hatte.

Der Wolfenbütteler Konsistorialrat Schmidt-Phiseldeck hatte innerhalb dreier Monate von allen im damals herzoglichen Landeshauptarchiv Wolfenbüttel verwahrten Siegeln der dem welfischen Herzogshaus durch Geburt angehörenden Mitglieder Abgüsse nehmen lassen. Ergänzend waren auch die Bestände des preußischen Staatsarchivs in Hannover, der übrigen preußischen Staatsarchive, verschiedener Stadt- und Klosterarchive der welfischen Lande sowie aller übrigen Landes- und Hausarchive im Deutschen Reich und der angrenzenden Länder herangezogen worden. Am Ende umfasste die Sammlung für die Jahrhunderte von Heinrich dem Löwen bis zur Generation des hannoverschen Kurfürsten und Königs von Großbritannien Georg Ludwig (Georg I.) (1660–1727) und seines Bruders Georg August (1683–1760) die Siegel aller Linien des Welfenhauses gleichermaßen, für die Zeit danach bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts nur die Siegel der Mitglieder des Neuen Hauses Braunschweig bis zu Friedrich Wilhelm, dem „Schwarzen Herzog“ (1771–1815), soweit der Konsistorialrat ihrer hatte habhaft werden können.

Der Archivar Paul Zimmermann ergänzte diese 868 Siegelabgüsse zählende Sammlung in den Jahren von 1895 bis 1897 um 260 weitere singuläre Stücke.

Von diesen insgesamt etwa 1100 Abgüssen welfischer Siegel, die im Niedersächsischen Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel – verwahrt werden, ließ Matthes im Auftrag der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen Schwarz-Weiß-Fotografien erstellen. Zu jeder Fotografie legte er eine Karteikarte mit den von Schmidt-Phiseldeck übernommenen Angaben zum Siegel an. Ende der 1970er Jahre kamen die Arbeiten jedoch zum Erliegen.

Auf dieser Grundlage entschloss sich 2003 der Vorstand der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, eine elektronische Datenbank der Welfensiegel aufzubauen. In einem ersten Schritt wurden im Rahmen von Werkverträgen die Schwarz-Weiß-Fotografien digitalisiert. Für die Erschließung eines jeden Siegels nach heutigen Standards entwickelten die damalige Geschäftsführerin Dr. Sabine Graf (Hannover) und Uwe Ohainski (Göttingen) eine Erfassungsmaske in Microsoft Access. Diese Maske entstand auf der Grundlage eines Kriterienkatalogs, der speziell für die Inventarisierung von Siegelbeständen mit Hilfe der EDV 1986 auf einem Symposium in Köln unter Federführung Toni Diederichs entwickelt worden ist. Diese Erfassungsmaske sieht neben der Abbildung des Siegels Angaben zum Siegelführer, konstante Daten zum Siegel und den Nachweis von Originalabdrücken vor. Dabei ist unter den konstanten Daten des Siegels nicht die Beschreibung eines einzelnen Siegelabdrucks zu verstehen, sondern die Rekonstruktion eines idealen Siegelabdrucks bzw. des Siegelstempels. Es handelt sich also um Daten, die vom Siegeltypar vorgegeben werden. Selbstverständlich ist die Rekonstruktion des Siegelstempels vom Zustand der überlieferten Abdrücke abhängig; d. h. wenn das Siegel nur noch in einer unvollkommenen Überlieferungsform erhalten ist, können sich die konstanten Angaben nur auf diese beziehen.

Der nächste Arbeitsschritt bestand darin, die Datenbank mit den digitalisierten Fotografien der Siegelabgüsse und den bereits vorliegenden Erschließungsdaten zu füllen. Letztere umfassten den Namen des Siegelführers, sein Todesjahr, das Jahr des Siegelabdrucks, die Legende des Siegels, die Bildbeschreibung sowie die Form und die Größe des Siegels. Schmerzlich vermisst wurden der Nachweis des Originalsiegels, welches dem jeweiligen Abguss zugrunde liegt, sowie die Angabe des Gebrauchszeitraumes eines Siegelstempels.

Im April 2004 diskutierte dann eine Expertenrunde (Dr. Manfred von Boetticher, Prof. Dr. Toni Diederich, Dr. Sabine Graf, Dr. Friedrich Hülsmann, Dr. Horst-Rüdiger Jarck, Uwe Ohainski, Prof. Dr. Wolfgang Petke, Prof. Dr. Ernst Schubert und Dr. Andrea Stieldorf) Stand und Perspektiven des Projekts. Die Empfehlungen des Expertengremiums für die weitere Erschließungstätigkeit überprüfte Prof. Dr. Wolfgang Petke (Göttingen) in einer Übung mit Studenten im Sommersemester 2004. Die in dieser Übung entwickelten Richtlinien für die Siegelbeschreibung flossen weitgehend in die weitere Projektarbeit mit ein.

Herr Dr. Bengt Büttner (Göttingen) ermittelte anschließend über mehrere Monate hinweg per Autopsie die Originalabdrücke der Welfensiegel in sämtlichen Urkundenbeständen des Niedersächsischen Landesarchivs – Hauptstaatsarchiv Hannover – und wies jedes einzelne in der Datenbank nach. Diese sehr aufwendige Arbeit setzte Herr Dr. Josef Dolle (Göttingen/Braunschweig) im Niedersächsischen Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel – und den Stadtarchiven Braunschweig, Lüneburg und Göttingen fort. Auf diese Weise sind sämtliche Urkundenbestände dieser fünf für die welfische Überlieferung bedeutenden Archive gesichtet und sämtliche darin original überlieferten Siegel von Mitgliedern des Welfenhauses von Heinrich dem Löwen bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts in der Datenbank festgehalten worden. Der Gesamtbestand an Welfensiegeln konnte gegenüber der Abguss-Sammlung um mehr als 350 neu entdeckte Siegel erweitert werden. Auch wenn mehr als 14.000 Belege von Originalabdrücken zusammengetragen wurden, konnte dennoch nicht zu jedem der in Form eines Abgusses überlieferten Siegel wenigstens ein Originalabdruck aufgespürt werden.

Um die Aussagekraft und Attraktivität der Siegelabbildungen in der Datenbank zu erhöhen, wurden die bereits vorhandenen Schwarz-Weiß-Abbildungen der Abgüsse, soweit wie möglich, durch farbige Aufnahmen gut erhaltener Originalsiegel ergänzt. Ein großer Teil der Siegel in der Datenbank ist daher in einem Hauptbild und ein oder gelegentlich zwei weiteren Abbildungen sichtbar.

Die Siegelbeschreibungen der fast 1500 verschiedenen Siegel sind nach den Vorgaben des Projekts überarbeitet bzw. neu erstellt worden. Frau Dr. Isabelle Guerreau erfasste die Siegellegenden in originaler und normalisierter Form und erstellte die Beschreibungen des Siegelbildes. Frau Dr. Sabine Graf ergänzte und vereinheitlichte die Angaben zu den etwa 300 Siegelführern. Sie trägt auch die Verantwortung für die Redaktion der Datenbank.

An diesem Vorhaben ebenfalls interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen betroffenen Disziplinen sind herzlich zur Mitarbeit eingeladen.

Ansprechpartner/Projektleitung

Historische Kommission für Niedersachsen und Bremen
– Geschäftsstelle –
Am Archiv 1
D-30169 Hannover

Telefon: ++49/511/120-6655 oder -6619
Telefax: ++49/511/120-6681

E-Mail: historische.kommission@nla.niedersachsen.de
Internet: http://www.historische-kommission.niedersachsen.de

Assoziierte Mitarbeiter

Dr. Bengt Büttner (Göttingen)
Dr. Josef Dolle (Braunschweig)
Dr. Sabine Graf (Hannover)
Dr. Isabelle Guerreau (Osnabrück)